I. Vieli: Der Lawinenwinter 1887 / 88 im Berner Oberland

Cover
Titel
Wenn die Tochter der Hochalp in ihre weissen Gewänder gehüllt zu Tale donnert. Der Lawinenwinter 1887 / 88 im Berner Oberland


Autor(en)
Vieli, Isabelle
Reihe
Berner Studien zur Geschichte Reihe, 1: Klima und Naturgefahren in der Geschichte
Erschienen
Bern 2017: Open University Press
Anzahl Seiten
56 S.
von
Chantal Camenisch, Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte, Universität Bern

Lawinen sind Naturphänomene, die es in den Alpen seit Menschengedenken gibt. Als Naturkatastrophen werden Lawinenniedergänge jedoch erst dann gewertet, wenn Menschen oder ihre Infrastruktur zu Schaden kommen. Die Klassierung von Lawinen wird dementsprechend in der Regel über das Ausmass des Schadens vorgenommen. Isabelle Vieli beschreibt in der vorliegenden Publikation, deren Grundlage ihre Bachelorarbeit an der Universität Bern ist, den Lawinenwinter 1887 / 88, in dessen Verlauf im Gebiet der Schweiz über tausend Lawinen niedergingen, wovon 170 als Grossschadenslawinen eingestuft wurden. Besonders stark betroffen waren dabei die Kantone Tessin, Graubünden und Wallis. Lawinenbedingte Schäden ereigneten sich auch im Berner Oberland, das im Fokus von Vielis Untersuchung liegt. Die Autorin analysiert Personen- und Sachschäden während des Lawinenwinters und inwiefern sich diese in der Verbauungspolitik des Kantons Bern niederschlugen. Dabei greift sie auf die Beschreibungen des ersten eidgenössischen Oberforstinspektors und Gebirgstopografen Johann Coaz zurück, die sich auf das Berner Oberland beziehen. Ebenso als Quellen dienen eine Monografie von Thomas Bruhin, die 1888 erschien, Ausgaben verschiedener Berner Zeitungen aus dem Untersuchungszeitraum sowie Akten der Berner Regierung und aus den betroffenen Berner Amtsbezirken, Gemeinden, Bäuertgemeinden und Kirchgemeinden.

Vieli thematisiert zunächst die klimatischen und topografischen Gegebenheiten des Berner Oberlandes und in groben Zügen die Lebensumstände seiner Bewohner, bevor sie auf den Zustand und die Bewirtschaftung der Wälder, den Stand des Wissens über Lawinen und die Wahrnehmung von Wald der damaligen Bevölkerung eingeht. Daraufhin stellt die Autorin den Witterungsverlauf des Winters vor und widmet sich der Lawinentätigkeit im Berner Oberland. Im Zentrum stehen dabei die Amtsbezirke Lauterbrunnen und Saanen, das Gadmen-, das Guttannen- und das Urbachtal sowie das Oberhasli. Auf die verhältnismässig milden Monate November und Dezember 1887 folgten im letzten Dezemberdrittel Temperatursturz und Schneefall. Der Januar zeichnete sich vor allem durch Temperaturschwankungen mit kurzfristigem Tauwetter aus, während Februar und März aussergewöhnlich schneereich waren. Die meisten Lawinenniedergänge waren denn auch im Februar und vor allem im März 1888 zu verzeichnen. Vieli stellt die 26 Lawinenereignisse des untersuchten Winters jeweils kurz dar und nennt Tote, Verletzte und Schäden. Die Ergebnisse sind darüber hinaus in einer übersichtlichen Tabelle dargestellt.

Als Folge der Niedergänge von Schadenslawinen organisierte der Schweizerische Alpen Club SAC eine Spendensammlung, deren Ergebnisse von Vieli präsentiert werden, bevor sie sich in einem weiteren Kapitel einer Einordnung der Berner Ereignisse in den gesamteidgenössischen Kontext widmet. Abschliessend wirft die Autorin einen Blick auf die vermehrte Aufforstungstätigkeit im Berner Oberland, die nach dem Lawinenwinter einsetzte.

Vielis Untersuchung zeichnet sich durch Detailtreue, eine zeitaufwendige Bearbeitung eines umfangreichen Quellenkorpus und eine solide Einordnung in den eidgenössischen Kontext aus. Die Publikation folgt dabei dem klassischen Aufbau einer universitären Prüfungsarbeit. An einigen Stellen fällt die Argumentation eher kurz aus, was aber dem Umstand geschuldet ist, dass in einer Bachelorarbeit die Seitenlänge limitiert ist. Das Werk ist mit detailreichen und übersichtlichen Tabellen, Karten und einer Fotografie eines Lawinenkegels von 1889 ausgestattet. Der Autorin ist eine überzeugende Analyse des Lawinenwinters 1887 / 88 im Berner Oberland gelungen, eines Themas, das in der Forschung bisher noch kaum Aufmerksamkeit genossen hat. Sie macht deutlich, wie sich das Ausmass der Ereignisse nicht nur von Kanton zu Kanton stark unterschied, sondern auch von Tal zu Tal, und dass im Fall des Berner Oberlands andere Lawinenwinter weit schadensreicher waren. Für die langfristige Lawinenprävention stellte dieser Winter aber auch im Kanton Bern eine wichtige Landmarke dar.

Zitierweise:
Chantal Camenisch: Rezension zu: Vieli, Isabelle: «Wenn die Tochter der Hochalp in ihre weissen Gewänder gehüllt zu Tale donnert». Der Lawinenwinter 1887 / 88 im Berner Oberland. Bern: Open Publishing 2017. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 2, 2019, S. 74-76

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 80 Nr. 2, 2019, S. 74-76

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